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Nach dem Semester ist vor dem Semester – alles digital?

Wie kann man Studierende dazu bringen, sich aktiv neues Wissen anzueignen? Und das Ganze auch noch rein digital? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. Grüter aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften intensiv. Im kommenden Wintersemester übernimmt er zum ersten Mal einen Teil der Erstsemesterveranstaltungen. Seine Vision lässt sich kurz mit zwei Schlüsselbegriffen zusammenfassen: „Flipped Classroom“ und „Discovery Learning“. Im Interview verrät er uns, wie er sich auf eine digitale Vorlesung vorbereitet.

Beim Discovery-Learning lernen Studierende durch eigenes Erleben und erarbeiten sich selbstständig das Wissen. Die Lehrenden stellen entsprechende Aufgaben zur Verfügung und führen so strukturiert durch das Thema.
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Worauf legen Sie bei ihren Lehrkonzepten besonders Wert?

Prof. Dr. Grüter: Besonderen Wert lege ich darauf, die Nachteile, die durch den Wegfall der Präsenzlehre im Zuge der Corona-Pandemie, entstehen, abzuschwächen. Für die Erstsemesterveranstaltung möchte ich das mit zwei didaktischen Konzepten erreichen, nämlich Flipped Classroom und Discovery-Learning. Ich habe einen wöchentlichen Lernzyklus erstellt, der donnerstags beginnt. Dann wird ein Animationsvideo hochgeladen.

Anhand dieses kurzen Clips von ein bis fünf Minuten wird eine Problemstellung vorgestellt. Hier greift das Discovery-Learning, denn die Studierenden sollen diese Problemstellung mit eigenen Ideen lösen. Montags soll diese Problemlösung auf LEA eingereicht werden. Dann setzt das Flipped Classroom-Konzept ein. Drei Tage lang können die Studierenden mit einem Screencast den akademischen Teil der Thematik zu erarbeiten. In der Online-Sitzung am Donnerstag wird die Musterlösung zur Problemstellung besprochen und der Stoff vertieft.

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Welche Erfahrungen nehmen Sie aus dem Sommersemester 2020 mit? 

Prof. Dr. Grüter: Ich habe bemerkt, dass man online vor allem bei synchronem Lernen wenig Feedback bekommt. Anders als in der Präsenzlehre, kann man die Gesichter der Studierenden nicht sehen, da wenige ihre Kameras einschalten. Es ist also schwer abzuschätzen, ob alle gut mitkommen. Andererseits war ich positiv überrascht, wie gut die digitale, synchrone Lehre mit Screensharing und Breakout rooms angenommen wurde. Ohne die technische Versiertheit der Studierenden und der prompten Beschaffung von Zoom etc. durch die Verwaltung, wäre dies sicherlich nicht so gut gelungen. Auch die Schulungen sowie die ständige Verfügbarkeit des E-Learning-Teams haben sich sehr positiv ausgewirkt.

Studentin lernt zu Hause am Laptop colourbox 24829136 (DE)

Wo sehen Sie Vorteile des digitalen Lernens - insbesondere für die Erstsemester?

Prof. Dr. Grüter: Dadurch, dass die Studierenden den Stoff eigenständig erarbeiten, kann jeder in seinem eigenen Tempo lernen. Das löst das Problem des fehlenden Feedbacks und macht den Reiz des Flipped Classroom-Konzepts aus. Für Studierende ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, sich bereits im ersten Semester Selbstständigkeit und Eigenverantwortung anzueignen. 

Genau das wird durch das Konzept gefördert. Wenn sie diese Form des Lernens schon mal kennenlernen, ist das für die späteren Semester sehr hilfreich. Dass die Erstsemester unbeschriebene Blätter für die Hochschullehre sind, kann also ein Vorteil sein. Ich habe hohe Erwartungen an das Konzept, aber es zählt natürlich die konkrete Umsetzung.

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Wie sehen bei Ihnen die nächsten Wochen bezüglich der Vorbereitung aus?

Prof. Dr. Grüter: Es steht noch viel an. Die konzeptuelle Phase und die Vorbereitung der Lernziele sind bereits abgeschlossen. Nun nimmt die Produktion der Stoffvermittlung den größten Teil ein. Für die Animationsvideos greife ich auf das Online-Tool Powtoon zurück. Derzeit bin ich in der Experimentierphase, um herauszufinden, wie viel Zeit die Produktion einnehmen wird und auf wie viel Hilfe ich zurückgreifen muss.

Bei den Screencasts werde ich die Freeware OBS (Open Broadcaster Software) und zum Schneiden Camtasia nutzen. Pro Video sind circa zehn Minuten geplant. Bei umfangreicheren Themen werde ich mehrere Videos in kürzeren Einheiten erstellen. Außerdem werde ich für die Gesichtsaufnahme zwei Kameras benutzen. So wird die Aufnahme einerseits dynamischer. Andererseits kann man, wenn sich versprochen hat, einen Schnitt machen, ohne einen Sprung im Video zu haben.

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Welche Erfahrungen aus Ihrem Studium motivieren Sie selbst in der Lehre?

Prof. Dr. Grüter: Generell haben mich viel mehr die positiven Beispiele als die negativen Beispiele beeinflusst. Sehr viel mitgenommen habe ich aus den Veranstaltungen eines Dozenten, der diese immer sehr gut durchdachte und didaktisch der Zeit voraus war. Hieraus habe ich Aspekte für die eigene Lehre übernommen.

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Grundsätzlich sind mir zwei Kriterien sehr wichtig. Zum einen, dass die Studierenden viel für das Leben und vor allem Berufsleben mitnehmen können und zum anderen, dass das Ganze Spaß macht. Im besten Fall beiden Seiten.

 

E-Learning-Team: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg im kommenden Semester, Professor Grüter