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Antje Thielen: Die kindliche Neugierde wiederentdecken

Es ist Dienstagmittag in einem Labor am Campus Rheinbach. Knapp 30 Erstsemester-Studierende haben sich in einem großen Halbkreis um Antje Thielen herum aufgestellt. Auf einem Rollwagen vor ihr befinden sich mehrere Versuchsaufbauten - Reagenzgläser, Messgeräte, zwei Gläser mit Kupferplatten darin. Auf Englisch erklärt Thielen den Biologie-Studierenden ihre Aufgaben für die nächsten drei Stunden. Die Experimente sind dabei so ausgewählt, dass es bei korrekter Durchführung sichtbare Ergebnisse gibt, wie etwa eine bestimmte Veränderung der Farbe. Das Ziel der Dozentin: Begeisterung für die Grundlagen naturwissenschaftlichen Arbeitens zu vermitteln. „Ob es das Studium oder der spätere Job ist: rough and dirty funktioniert nicht, es braucht immer eine sehr präzise Arbeitsweise, viel Geduld und eine gewisse Frustrationstoleranz“, sagt Thielen.

Deshalb sei es gerade am Anfang wichtig, dass die Studierenden den Mehrwert dieser Grundtechniken erkennen: „Es gibt eine Reihe schöner Experimente, die sogar im Kindergartenalter funktionieren. Wenn zum Beispiel etwas plötzlich bunt wird. Kinder haben automatisch diese Neugierde, verstehen zu wollen, was da passiert. Leider geht das im Laufe des Lebens häufig verloren. Ich sehe meine Aufgabe darin, diese verschüttete Fähigkeit wieder zu aktivieren.“
Junge Menschen auf spätere Aufgaben vorbereiten
Was Thielen mitgeben möchte, hat sie selbst erfahren. Die heutige Hochschullehrerin wurde in Düren geboren. Schon als Kind habe sie im Winter in der elterlichen Küche gesessen und protokolliert, welche Vögel sich am Futter des Vogelhäuschens im Garten bedienten. Ein gewisses analytisches Denken liege ihr wohl im Blut, sagt sie heute. Auf dem Gymnasium sei es dann ihre Chemielehrerin gewesen, die mit alltagsnahen Experimenten ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften geweckt habe. Nach dem Abitur entschied sich Thielen für ein Studium an der FH Aachen: Chemieingenieurwesen mit Schwerpunkt Bioverfahrenstechnik. Nach dem Diplom fragte sie schließlich ihr ehemaliger Professor Wolfgang Fink, ob sie sich vorstellen könne, an eine neu gegründete Hochschule zu wechseln: „Das war eine tolle Chance, den Fachbereich von Anfang an mitgestalten zu können. Und so bin ich 1997 nach Rheinbach gekommen“, erinnert sich Thielen.
Auch in ihrem 28. Jahr an der H-BRS widmet sich Thielen der Aufgabe, junge Menschen bestmöglich auf ihre weiteren Aufgaben vorzubereiten. Neben den Studierenden bildet sie seit Mitte der 2000er-Jahre auch Chemielaborantinnen und -laboranten aus. Und das mit großem Erfolg: Gleich zwei der ehemaligen Auszubildenden wurden in den Jahren 2022 und 2023 von der IHK als Prüfungsbeste ihrer Berufsgruppe ausgezeichnet.
Jungen Menschen den Übergang von der Schule zur Hochschule möglichst leicht zu machen sei über die Jahre hinweg der Kern ihrer Arbeit geworden, berichtet Thielen. Im Jahr 2012 nutzte sie deshalb die Chance, dem Projekt Pro-MINT-us beizutreten, in dem neue Lehrkonzepte für Studierende in ihren ersten beiden Semestern entwickelt wurden. „Das Projekt hat mir den Freiraum gegeben, nochmal ganz explizit neue Konzepte und Lehrmethoden auszuprobieren. So ist zum Beispiel ein Laborprojekt entstanden, in dem wir den Chemie-Studierenden direkt im ersten Semester beibringen, einen Laborversuch eigenständig zu planen, durchzuführen und die gewonnenen Daten im Anschluss zu interpretieren“, sagt Thielen.
"Der Fachbereich ist unser Baby"
Ihre berufliche Zukunft sieht die Naturwissenschaftlerin weiterhin an der H-BRS. Das habe nicht nur mit dem Kontakt zu Studierenden und Auszubildenden zu tun, die immer mit neuen Perspektiven und Voraussetzungen an die Hochschule kämen und so die Arbeit interessant hielten: „Es gibt einige Kolleginnen und Kollegen, die zu einer ähnlichen Zeit angefangen haben und immer noch hier arbeiten. Der Fachbereich ist schon ein bisschen unser Baby, um das wir uns weiter kümmern wollen“, sagt Thielen.
Diesen beinahe familiären Zusammenhalt habe man auch nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 gespürt. Im Zuge der Abpump- und Entkernungsarbeiten und auch während des Wiederaufbaus der Gebäude haben die Beschäftigten mit allerhand Einschränkungen zu kämpfen, für die sie immer wieder kreative Lösungen finden müssen. Das erfordert jede Menge Durchhaltevermögen: „Anfang des letzten Jahres war die Stimmung hier auf dem Tiefpunkt. Wir hatten damit gerechnet, dass der Wiederaufbau sich innerhalb von zwei Jahren würde bewältigen lassen. Dann zu merken, dass es nochmal zwei Jahre dauern würde, war schon schwierig. Aber was uns in Rheinbach und im Fachbereich auszeichnet ist, dass wir immer versuchen, das Beste aus einer Situation herauszuholen“, sagt Thielen. In dieser Phase sei es wichtig gewesen, dass den Rheinbacher Beschäftigten seitens der Hochschule viel Verständnis entgegengebracht wurde.
Darüber hinaus sei es einfach kein Teil des Selbstverständnisses von Naturwissenschaftlern, die Flinte ins Korn zu werfen, erklärt Thielen: „Wir müssen frustrationsresistent sein, das ist schon ein stückweit eine Charaktereigenschaft“.
Text: Pascal Schröder