Zentrum für Ethik und Verantwortung (ZEV)

Alena Buyx - Pandemie als Digitalisierungsbeschleuniger?

Montag, 13. Dezember 2021

Prof. Dr. med. Alena Buyx, Vorsitzende des deutschen Ethikrats, thematisierte in der zweiten Sitzung der Ringvorlesungsreihe "Lasst uns reden... über Ethik und Nachhaltigkeit in der digitalen Welt" die Wechselwirkung zwischen der Corona-Pandemie und einer zunehmenden Digitalisierung.

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In Ihrem Vortrag „Pandemie als Digitalisierungsbeschleuniger? Ethische Überlegungen zum Spannungsfeld Digitalisierung/Datenschutz“ beleuchtete Alena Buyx die Digitalisierung in Deutschland aus verschiedenen Perspektiven und erläuterte die positiven, negativen und „hässlichen“ Aspekte, getreu des Films „The Good, the Bad and the Ugly“.

Positive Aspekte sind für Sie dabei unter anderem das neue digitale Gesundheitsangebot der Videosprechstunde oder der allgemein enorme Innovationsschub seit Beginn der Pandemie. Oftmals schon lange geplante, jedoch nicht in der Praxis umgesetzte Maßnahmen, konnten jetzt sehr schnell für die allgemeine Nutzung zugänglich gemacht werden. Als „bad“ identifizierte sie vor allem die Verwaltung, Infrastruktur und Regulierung der Digitalisierung sowie die hemmende Datenkultur und zurückhaltende Auslegung der Datenschutzanwendung in Deutschland. Als dramatisch („the ugly“) nannte sie unter anderem den „Digital Riser Report“ (Digital Riser 2021 - EUROPEAN CENTER FOR DIGITAL COMPETITIVENESS (digital-competitiveness.eu)), welcher die Voraussetzung für Digitale Wettbewerbsfähigkeit weltweit beurteilt, und den „Bertelsmann Digital Health Index“ im Europäischen Gesundheitswesen (Digital Health-Index (bertelsmann-stiftung.de)). Bei der Beurteilung des Digital Riser Reports rutschte Deutschland 2021 um 176 Ränge ab und befindet sich auch beim Bertelsmann Digital Health Index auf Platz 16 von 17. Als weitere fatale Beispiele wurden von ihr auch das katastrophale Einladungsmanagement der Covid-19 Impfstrategie und das, zumeist fehlende oder nicht funktionstüchtige, Internet an Schulen thematisiert.

Als Ethisches Ziel sieht sie die Datensouveränität und somit „eine den Chancen und Risiken einer digital vernetzen Welt angemessene, verantwortliche informationelle Freiheitsgestaltung“ (DER 2017). Laut Buyx ist das Verhältnis der Chancen zu Risiken der Digitalisierung in Deutschland nicht angemessen. Zwar müssen ein gesundes Bewusstsein und ein Überblick über die Risiken bestehen, und auch die Wichtigkeit des sorgsamen Umgangs mit Daten muss gewährleistet sein, aber der Fokus sollte auf den Möglichkeiten und nicht auf den Risiken liegen. Risiken dürfen uns nicht dazu bewegen hinter unseren Möglichkeiten und Chancen zurückzubleiben. „Es gilt, Datenschutz im Gesundheitswesen als Teil von Lebens- und Gesundheitsschutz auszugestalten, nicht als deren Gegenteil.“ (Sachverständigenrat im Gesundheitswesen 2021). Die Digitalisierung und der Datenschutz sind zentrale Punkte um dem Patientenwohl zu dienen, durch die Ermöglichung einer besseren Forschung und Versorgung. Abschließend appelliert Buyx an alle, den dysfunktionalen Umgang mit Datenschutzregeln zu beenden und somit, durch einen Perspektivwechsel die Digitalisierung voranzutreiben. Hierbei sei nicht nur die Politik gefragt, sondern jeder in seinem eigenen Handlungsrahmen, sei es beruflich, privat oder politisch.

Der anschließende Austausch mit interessierten Teilnehmer:innen warf verschiedenste existierende Probleme auf, wie die Angst vor haftungsrechtlichen Folgen, welche oft als Vorwand und Grund für einen Rückzug auf das Minimum des theoretisch Machbaren der Datennutzung genommen wird. Auch die wichtige Frage der generellen Aufgabenbereiche der Datenschutzbeauftragten wurde thematisiert und bot eine Überleitung zur nachfolgenden Sitzung der Ringvorlesung  mit Prof. Ulrich Kelber, dem Bundesbeauftragten für Datenschutz, geklärt werden.

Die Ringvorlesung des ZEV ist Teil des hochschulweiten Projektes Campus to World, das von der Bund-Länder-Förderinitiative "Innovative Hochschule" gefördert wird.

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