Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung

Erfahrungsbericht: Praxissemester in Tirana, Albanien

Donnerstag, 12. August 2021

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Mirjeta Rama, Studentin der Nachhaltigen Sozialpolitik, absolvierte im Sommersemester 2021 ihr Praxissemester bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tirana, Albanien. Hilfe bei der Bewerbung und finanzielle Unterstützung erhielt sie dabei von dem Praktikumsprogramm "Get Balkanized".

In ihrem Erfahrungsbericht fasst Mirjeta Rama ihre Eindrücke aus der Zeit in Albanien zusammen und schildert, welche Erkenntnisse sie für ihr Studium und auch über sich selbst gewonnen hat:

Mein Praxissemester im 6. Semester des Studiengangs Nachhaltige Sozialpolitik habe ich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen des Praktikumsprogramms „Get Balkanized“ absolviert. Das Praktikumsprogramm „Get Balkanized“ eröffnete mir die Möglichkeit, einen längeren Aufenthalt in Südosteuropa zu planen. Vor allem die finanzielle Unterstützung, die man durch das Praktikumsprogramm erhält, bekräftigte mich in meiner Entscheidung für mein Praxissemester nach Südosteuropa zu gehen.

Im Sommer 2021 war ich drei Monate lang bei der Außenstelle der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tirana, Albanien als Praktikantin. Aufgrund der Corona-Situation habe ich die ersten zwei Monate von zu Hause aus in Sankt Augustin gearbeitet. Den letzten Monat verbrachte ich dann aber in Tirana. Für die Außenstelle der FES in Tirana habe ich mich bewusst entschieden, da ich das Land Albanien als sehr dynamisch und interessant empfinde und mich die Aufgaben der Stiftung in meinem Interesse unterstützen.

Die Arbeitsaufgaben meiner Praktikumsstelle umfassten Rechercheaufgaben zu der politischen Situation Albaniens, Parlamentswahlen, Demokratisierungsprozesse, Nachhaltigkeitsstrategien und auch zu den EU-Beitrittsverhandlungen Albaniens. Neben meiner Einzelarbeit war der Arbeitsalltag von wöchentlichen Teamsitzungen geprägt, sowie von regelmäßig stattfindenden Workshops und Seminaren etwa über soziale und ökologische Transformationen. Wir haben beispielsweise ein Seminar mit dem politischen Jugendverband JUSOS aus Hamburg organisiert, in dem es um das Thema EU-Erweiterung Albaniens ging. Das für mich aufschlussreichste und spannendste Seminar war der Workshop zum Themenblock Soziale Demokratie. Hier wurden Vorträge von ausgewählten Professorinnen und Professoren, Akteuren und internationalen Institutionen aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich zu Themen wie soziale Ungleichheiten, Demokratisierungsprozesse, Sozialpolitik, Wohlfahrtsstaat und nachhaltige Entwicklung referiert. Letztlich lag der Fokus meiner Praktikumsstelle zwar auf der politischen Aufklärung und Bildung. Das Augenmerk auf die politische Ebene geht heute jedoch auch stets mit einer gewissen sozialpolitischen Betrachtungsweise einher. Neben meiner intensiven Einzelarbeit schafften die Seminare und Workshops einen idealen Ausgleich zwischen der individuellen Arbeit und der kollektiven Zusammenarbeit.

Auch außerhalb meiner Praktikumsstelle begegnete ich immer wieder sozialpolitischen Themen und Fragestellungen. Es ist bekannt, dass die sozioökonomische Situation in Albanien alles andere als gut ist. Das war auch in meinem Alltag in Albanien zu beobachten: So sah ich mich bereits auf dem Weg zur Arbeit mit sozialen Problemstellungen wie Armut und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Eine gewisse Freiheit in meinem Arbeiten, die mir die FriedrichEbert-Stiftung eingeräumt hat, ermöglichte es mir stets, auch potentielle Themen wie diese zu behandeln.

Eine große Überraschung war für mich die Arbeitskultur innerhalb der Praktikumsstelle und der Stadt. Ein paar Beispiele: Da ich zu Anfang noch keinen persönlichen Schlüssel für das Büro besaß, musste ich meine Arbeitszeiten nach denen meiner Kolleginnen und Kollegen richten. Das führte dazu, dass ich nicht mehr zwischen sieben und acht Uhr mit meiner Arbeit begann, sondern erst zwischen neun und zehn Uhr. Auf dem Weg zur Arbeit bemerkte ich, dass die Cafés bereits vor neun Uhr sehr gut besucht waren. Darin macht sich die Gelassenheit der Menschen bemerkbar, die darauf achten, den Morgen achtsam mit einem ausgiebigen Frühstück zu beginnen. Die Menschen weisen eine „legere“ Haltung zur Arbeit auf. Hier gilt die Arbeit als etwas, dass die Menschen darin unterstützt, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Auf diese Weise wirken die Menschen in Tirana gelassener und zufriedener. Ihr Lebensverständnis schenkte auch mir eine gewisse Ruhe.

Das Praxissemester hat mir die Möglichkeit gegeben, meine im Studium erworbenen fachlichen Kompetenzen praktisch anzuwenden. Insgesamt war das Praktikum für mich sehr bereichernd. Ich habe die Kombination zwischen neugewonnenen beruflichen Erfahrungen und allem anderen außerhalb des Beruflichen, wie das Kennenlernen einer „neuen“ Kultur in einem anderen Land, als sehr aufschlussreich empfunden. Aus diesem Grund kann ich jedem nur empfehlen, ein Praktikum im Ausland zu absolvieren: Die Außenstelle der Friedrich-EbertStiftung in Tirana ist zwar etwas überschaubarer, aber mir wurden umfassende Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Stiftungsarbeit gewährt. Es gibt ein breites Spektrum an Veranstaltungen, die viele neue Erkenntnisse zu sozialen Themenblöcke hergeben. Zu guter Letzt habe ich viele auch neuen Begegnungen mit Instituten und Akteuren gemacht und zugleich auch gelernt, Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. neue Betrachtungsweisen kennen.

Das Praktikum in Albanien brachte mich nicht nur in meinem Studieninhalten voran, sondern auch in meinem sozialen Kompetenzerwerb: Ich lernte sehr viel über zwischenmenschliche Kommunikation und auch sehr viel über mich selbst. Das Praktikum hat mich selbst in eine neue Position gebracht, in der ich Dinge anders hinterfrage und Ressourcen wie Wasser und Strom als nicht selbstverständlich erachte. Ich habe gelernt, geduldiger und gelassener zu sein.