Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung

Vorstellung der Top Ten der Vergessenen Nachrichten

Donnerstag, 7. März 2019

Nicht alle wichtigen Themen werden von den Medien beleuchtet, obwohl sie gesellschaftlich relevant sind. Die Top Ten der Vergessenen Nachrichten 2019 hat die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. im Rahmen ihrer Jahrespressekonferenz im Deutschlandfunk in Köln vorgestellt. Prof. Dr. Hektor Haarkötter, Kommunikationswissenschaftler im Studiengang Sozialpolitik der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, ist geschäftsführender Vorsitzender der INA.

Den ersten Platz im Ranking der vergessenen Nachrichten belegt das Thema „JEFTA: Japan-EU Free Trade Agreement“. Die Öffentlichkeit hat davon nahezu nichts mitbekommen – obwohl sich hier zwei der größten und potentesten Wirtschaftsräume der Welt zu einer gigantischen Freihandelszone vereinen. Die EU machte ihre Textvorschläge für das JEFTA-Abkommen erst öffentlich, als das Abkommen weitgehend ausgehandelt war und einzelne Dokumente bereits durch Leaks bekannt waren. JEFTA ist ein sogenanntes „EU only“-Abkommen. Anders als zum Beispiel beim EU-Kanada-Abkommen (CETA) müssen die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten nicht zustimmen. 

Auf Platz 2 steht das Flugdatengesetz von 2018.  Mit dem Fluggastdatengesetz hat Deutschland 2018 eine EU-Richtlinie mit weitreichenden Folgen umgesetzt: Bei jedem Flug werden 20 persönliche Informationen an staatliche Behörden übermittelt, fünf Jahre lang gespeichert und gegebenenfalls auch weitergegeben. Über die Speicherung solcher  Daten bei Flügen in die USA wurde vor einigen Jahren noch sehr kontrovers diskutiert, wohingegen es über die neue innereuropäische Regelung nur sehr wenig Berichterstattung gab– obwohl sie die meisten EU-Bürger deutlich stärker betrifft.

Auf Platz 3 steht Venezuela und die Frage, ob die Anerkennung des Interimspräsidenten Guaido mit dem Völkerrecht vereinbar war. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat die Anerkennung des Oppositionspolitikers Guaidó als Interimspräsident durch die Bundesregierung und weitere westliche Staaten in Frage gestellt. Es gebe „starke Gründe“ für die Annahme, dass es sich bei der Anerkennung Guaidós um eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ handelt, heißt es in einer zehnseitigen Ausarbeitung der Bundestagsjuristen., das 2018 von beschlossen wurde. 

Weitere Themen sind: Arzneimittelrückstände im Trinkwasser, fragwürdige finanzielle Steuerentlastungspraktiken durch Stiftungen, Cybercrimes und Genitalbeschneidungen. Die komplette Liste jener vergessenen Nachrichten, die bislang nicht oder nur ungenügend ihren Weg in die deutschen Medien gefunden haben, findet sich auf der Website der Initiative Nachrichtenaufklärung (www.nachrichtenaufklaerung.de).

„Es ist unglaublich, dass so wichtige Themen wie das JEFTA eine so geringe Resonanz in den Medien gefunden haben.  Wenn man bedenkt, dass es ein Freihandelsabkommen zwischen zwei der größten Wirtschaftsräume der Welt ist, kann man hier schon von journalistischem Systemversagen sprechen“, sagt INA-Geschäftsführer Prof. Haarkötter.

Am 14. Juni 2019 veranstaltet die INA gemeinsam mit der Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) und der Hochschule Bonn-Rhein-Seig das 5. Kölner Forum für Journalismuskritik und verleiht auch zum fünften Mal den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik. Wallraff ist Ehrenmitglied der INA.

Die INA ist eine Nicht-Regierungsorganisation, die von den Medien vernachlässigte Themen und Geschichten in die Öffentlichkeit bringen möchte. „Wir bitten alle, die sich über ein medial  vernachlässigtes Thema Gedanken machen, die Initiative zu ergreifen und es uns über unsere Website als Themenvorschlag zuzusenden. Dieses Engagement ist wichtig für unsere Arbeit“, appelliert Marlene Nunnendorf, Sprecherin der INA.

Alle und jeder haben die Möglichkeit, bei der INA Themenvorschläge einzureichen (unter http://www.derblindefleck.de/thema-einreichen/). Diese Themenvorschläge werden dann von studentischen Rechercheteams an verschiedenen Hochschulen im ganzen Bundesgebiet recherchiert. Zwei solcher Rechercheseminare haben auch im Studiengang Sozialpolitik der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg stattfgefunden. Eine Jury aus Journalisten und Wissenschaftlern stimmt einmal jährlich über diese Themenvorschläge ab und kürt die Top Ten der vergessenen Nachrichten. Vorbild für die INA ist die amerikanische Partnerorganisation Project Censored.

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Hektor Haarkötter

Professur Kommunikationswissenschaft, Schwerpunkt politische Kommunikation

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