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30 Jahre Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Ausstellung Visionäre Forscherinnen: Sofja Kowalewskaja

Wissiljewna Kowalewskaja
Analog zum 30-jährigen Bestehen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg im Jahr 2025 widmet sich die Bilderausstellung "Visionäre Forscherinnen – 300 Jahre Wissenschaft aus weiblicher Perspektive" 30 Ausnahmewissenschaftlerinnen, die exemplarisch für die vergangenen 300 Jahre weiblicher Wissenschaftsgeschichte stehen. Eine von ihnen ist Sofja Kowalewskaja.

Biografie Sofja Kowalewskaja (1850-1891)

Wissiljewna Kowalewskaja

Sofja Wassiljewna Kowalewskaja wird am 15. Januar 1850 in Moskau als zweite Tochter von Elisabeth Fjodorowna Schubert und General Wassili Wassiljewitsch Krukowski geboren. Ihre Mutter, eine gebildete Frau, trifft die Entscheidung, den zwanzig Jahre älteren Artillerieoffizier der Kaiserlich Russischen Armee und Gutsbesitzer zu heiraten, möglicherweise auch, um sich aus ihrem Elternhaus zu lösen.

Als Sofja acht Jahre alt ist, beendet ihr Vater seine militärische Laufbahn und zieht sich mit der Familie auf sein Landgut Palibino zurück. Wie in den gehobenen Kreisen der Zeit üblich, erhält sie eine Erziehung durch eine britische Gouvernante und ergänzenden Privatunterricht in den Elementarfächern, den sie jedoch zunächst als wenig inspirierend empfindet. Als ihr Interesse an Algebra und Geometrie jedoch geweckt wird, verbietet ihr Vater ihr zunächst den Mathematikunterricht. Doch Sofja lässt sich nicht entmutigen und eignet sich die Materie eigenständig an. Mit 14 Jahren entdeckt sie in der häuslichen Bibliothek das Buch „Elemente der Physik“ von Professor Tyrtow, einem Nachbarn der Familie. Sie erarbeitet sich die darin dargestellten Formeln und Theorien mit großer Ausdauer und analysiert sie eigenständig. Als sie Tyrtow eine Zusammenfassung ihres autodidaktischen Studiums seines Buches vorträgt, zeigt er sich beeindruckt von der analytischen Schärfe der jungen Kowaleswkaja und setzt sich bei ihren Eltern dafür ein, dass sie Unterricht in höherer Mathematik erhält.

So geht sie 1868 nach Sankt Petersburg und erhält Privatunterricht in Analytischer Geometrie und Infinitesimalrechnung bei Professor Alexander Strannolubski. Während dieser Zeit begegnet sie auch Fjodor Dostojewski, für den sie eine zeitweilige Bewunderung hegt, wie sie später in ihren Memoiren schreibt. Dostojewski hingegen fühlt sich zu ihrer älteren Schwester Anna hingezogen, die sie in Sankt Petersburg besucht.

Die acht Jahre ältere Anna ist für Sofja seit Kindertagen eine prägende Figur – nicht nur als engste Vertraute, sondern auch in politischer Hinsicht. So schließt sich Sofja unter dem Einfluss Annas der sogenannten „Nihilistischen Bewegung“ an - einer intellektuellen Jugendbewegung der 1860er-Jahre in Russland. Diese wendet sich gegen konservative Moralvorstellungen und politische Strukturen, setzt sich für Aufklärung und Bildung der Landbevölkerung ein und kämpft insbesondere für die Emanzipation und wissenschaftliche Ausbildung von Frauen.

Zu dieser Zeit schließen Männer in Russland Frauen vom Universitätsstudium aus und verbietet ihnen sogar, als Gasthörerinnen an Vorlesungen teilzunehmen. In Westeuropa hingegen öffnen einige Universitäten bereits ihre Tore für Frauen. Russische Frauen besitzen zu dieser Zeit jedoch keine eigenen Reisepässe, eine Auslandsreise ist ihnen nur in Begleitung des Vaters oder eines Ehemanns möglich, in dessen Pass sie eingetragen werden. Sofja Kowalewskaja will sich mit dieser einschränkenden Diskriminierung nicht abfinden. Fest entschlossen, Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren, findet sie einen pragmatischen Weg: 1868 geht sie mit dem Studenten Wladimir Onufrijewitsch Kowalewski, ebenfalls einem Anhänger der Nihilisten, eine Scheinehe ein. In den Kreisen der Bewegung gilt es zu dieser Zeit als Ehrensache, Frauen auf diese Weise den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, da sie in ihrer Heimat keine akademischen Chancen haben.

Zunächst gehen die Kowalewskis nach Heidelberg, wo es Sofja durch ihre Entschlossenheit gelingt, die Erlaubnis zum Besuch mathematischer Vorlesungen zu erhalten. Nach zwei Semestern, im Frühjahr 1870, wechselt sie nach Berlin. Dort bleibt Frauen das reguläre Studium weiterhin verwehrt, doch sie überzeugt den renommierten Mathematiker Karl Weierstraß, sie als Privatschülerin zu unterrichten.

Weierstraß unterstützt sie intensiv bei ihrer Forschung und begleitet sie auch bei ihrer Dissertation, an der sie ab November 1872 unermüdlich arbeitet. Schließlich beantragt Sofja Kowalewskaja 1874, auf Anregung und mit Unterstützung von Weierstraß, bei der Göttinger Universität die Zulassung zur Promotion. Um ihre wissenschaftliche Qualifikation unbestreitbar zu belegen, legt sie gleich drei Abhandlungen vor – jede einzelne davon, so Weierstraß, hätte als Dissertation ausgereicht. Im Alter von 24 Jahren promoviert sie „in absentia“ mit der Bestnote „summa cum laude“. 

Nach der Promotion kehrt Sofja zusammen mit ihrem Mann nach Petersburg zurück, wo sie sich weiterhin mathematischen Fragestellungen widmet. 1878 bringt sie ihre gemeinsame Tochter zur Welt. 1880 nimmt Sofja wieder Kontakt zu Weierstraß auf und führt ihre mathematischen Forschungsarbeiten fort. Die Ehe der Kowalewskis hingegen scheitert zu diesem Zeitpunkt endgültig. 1881 trennt sich Sofja von ihrem Mann und zieht mit der gemeinsamen Tochter nach Berlin. Da sie als alleinerziehende Migratin finanziell auf sich allein gestellt ist, sucht sie mit Unterstützung ihrer Mathematikerfreunde eine Anstellung an einer europäischen Universität. Eine solche zu bekommen, ist für eine Frau sehr schwierig, für eine verheiratete Frau, die getrennt von ihrem Mann lebte, jedoch völlig unmöglich. Die akademische Welt verändert sich für sie erst nach einer persönlichen Tragödie: 1883 nimmt sich ihr Mann, dessen finanzielle Spekulationen ihn in den Ruin getrieben haben, das Leben. Damit erhält Sofja gesellschaftlich zumindest den Status einer Witwe, was ihr den Zugang zu akademischen Positionen erleichtert. Dank der Unterstützung ihres schwedischen Freundes und Kollegen, des Weierstraß-Schülers Gösta Mittag Leffler, erhält Sofja Kowalewskaja 1882 eine Anstellung als Privatdozentin an der gerade neugegründeten Universität Stockholm. Im Wintersemester 1883/84 hält sie dort ihre erste Vorlesung und wird noch im selben Jahr zur Professorin für höhere Analysis ernannt. Damit ist Sofja Kowalewskaja die erste Frau weltweit, die als Professorin für Mathematik selbst Vorlesungen hält.

Ihre Stelle wird zunächst durch private Spenden finanziert und ist auf fünf Jahre befristet. Ihr wissenschaftlicher Durchbruch erfolgt 1888, als sie für ihre Arbeit „Über die Bewegung eines starren Körpers um einen festen Punkt unter dem Einfluss der Schwerkraft“ mit dem renommierten Bordin-Preis der Pariser Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet wird. Daraufhin wird ihre Professur 1889 in ein reguläres, lebenslanges Ordinariat umgewandelt. Doch bereits zwei Jahre später am 10. Februar 1891 verstirbt Sofja Kowalewskaja im Alter von nur 41 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung, die medizinisch unzureichend behandelt wird.

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