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Kommunikation und Marketing

Julian Mumme, Chemie mit Materialwissenschaften

Julian Mumme hat einen Beruf, der spannend ist wie kaum ein anderer: Er arbeitet als Detektiv. Allerdings nicht in der Kriminalistik, sondern in der Industrie: Als Ingenieur der Schadensanalyse beim TÜV Rheinland findet er heraus, weshalb Bauteile aus der Industrie kaputt gegangen sind.
julian_mumme.jpg (DE)

Der Kontakt zu Julian Mumme gestaltete sich zu Anfang recht schwierig: Erst war die Telefonnummer falsch, dann die Verbindung schlecht und schließlich musste der Alumnus selbst anrufen, um das Telefoninterview zu beginnen. Doch all das winkte er locker ab: „Ein typischer Montag eben.“ Schnell ist klar, so leicht bringt den Schadensanalytiker nichts aus der Ruhe. Denn sein Beruf ist es, Probleme zu lösen. Dafür muss er einen kühlen Kopf bewahren und darf sich nicht so schnell aus der Fassung bringen lassen.

Angefangen hat Mumme mit dem Bachelor-Studiengang „Chemie mit Materialwissenschaften“ an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Schon dort wählte er einen Schwerpunkt im Bereich der Schadensanalyse. Das Thema zog ihn gleich in den Bann. Und so fokussierte er sich in seinem Master noch schärfer auf das Thema. Dafür musste Mumme allerdings schweren Herzens an die RWTH Aachen wechseln – die H-BRS bot damals noch keinen entsprechenden Master an. (Dies hat sich mit dem Masterstudiengang Materials Science and Sustainability Methods übrigens geändert.) Die Zeit in Bonn hatte er bis dahin jedoch sehr genossen. „Ich wäre definitiv dort geblieben“, sagt der Ingenieur. Besonders geschätzt habe er die kleinen Studiengruppen, in denen das Arbeitsklima sehr persönlich war. Überhaupt der ganze Studiengang war von der Studentenzahl her sehr übersichtlich. „Die Professoren kannten uns alle beim Namen.“

Während des Masters wurde Mumme der Schadensanalyse vorübergehend untreu. Er kam ans Institut für Werkstoffanwendung im Maschinenbau und schrieb dort eine Studienarbeit und seine Masterarbeit über eine Hochtemperaturlegierung, die im Kraftwerkbereich eingesetzt werden soll. Nach Studienabschluss arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Option auf Promotion an der RWTH Aachen. Aber schon nach einem Jahr merkte er, dass ihn die Forschung und Entwicklung nicht so sehr reizte. So kam er zurück zu seiner alten Liebe, der Schadensanalyse.

Julian Mumme bewarb sich beim TÜV Rheinland in Köln. Und fand dort den Job, der all das bot, für das er sein Leben lang gelernt hatte. Er arbeitet als Ingenieur für Schadensanalyse – oder wie er es selbst gern nennt: als „Materialdetektiv“. „Ich finde auf wissenschaftlichem Weg heraus, wie, und im besten Fall, warum metallische Bauteile in der Industrie kaputt gegangen sind“, erklärt Mumme. Das kann eine einfache Aluhaushaltsleiter sein, aber auch eine Störung an einer Turbine in einem Kraftwerk. Das Spektrum der Kunden ist groß. Viele kommen aber aus dem Bereich Kraftwerk- oder Anlagenbau. Deren Betreiber wollen meist wissen, welche Störung vorlag, um zu verhindern, dass sie erneut eintritt. Wobei sehr häufig auch herausgefunden werden soll, wer für die Störung verantwortlich war und den Schaden womöglich bezahlen muss. Auch Versicherungen zählen daher zu den Kunden und manchmal auch Gerichte, die ein Gutachten brauchen.

Allerdings ist der Hauptarbeitsplatz eines Ingenieurs für Schadensanalyse nicht, wie man vermuten könnte, das Labor. „Zu 80 Prozent ist meine Arbeit ein Bürojob.“ Wenn beispielsweise ein defektes Bauteil zur Untersuchung in Auftrag gegeben wird, muss sich Mumme als erstes einen Überblick verschaffen. Er telefoniert mit den Kunden, um den genauen Hintergrund des Problems zu erfahren. Er erstellt ein Angebot und plant die Untersuchung. Er verteilt die Aufgaben an die jeweiligen Abteilungen. Häufig muss so ein Bauteil nämlich in seine Einzelteile zerlegt und von Spezialisten untersucht werden. Mumme erteilt dann genaue Anweisungen, was diese tun sollen: „Als Schadensanalytiker bin ich jemand, der kaputte Sachen noch kaputter macht.“ Die einzelnen Ergebnisse landen dann nachher zentral bei ihm, er bringt sie in Zusammenhang und schickt den Endbericht dann an den Kunden. Danach geht er noch einmal in Klausur mit dem Kunden, um die Ursachen des Problems herauszufinden. Auf den Punkt gebracht: „Wenn jeder Schadensfall ein Projekt wäre, wäre ich der Projektmanager.“

Bei größeren Schäden, wie beispielsweise Störungen in Kraftwerken, muss Mumme zunächst oft selbst vor Ort sein und mit den Beteiligten den Sachverhalt besprechen. Dabei geht es nicht immer harmonisch zu, erzählt Mumme: „Es kommt vor, dass sich die unterschiedlichen Parteien erst mal schön anbrüllen, und wir sitzen dort als unbeteiligte Dritte, holen unser Popcorn raus und sagen zum Abschluss 'Aber wir sehen das folgendermaßen ...'“

Während Mumme über seine Arbeit spricht, hört man die Leidenschaft, die er für seinen Beruf hegt, aus seiner Stimme heraus; durch seine Brille hindurch kann man deutlich das Strahlen in den Augen erkennen: „Ich bin sehr glücklich, dass ich einer der wenigen bin, die letztendlich genau in dem Beruf gelandet sind, den sie sich vorgestellt haben“, bestätigt er dann auch. Zumal sein Beruf viel Abwechslung bietet, auch skurrile Fälle: „Wir hatten mal einen Kunden, der hatte einen Wasserschaden an seiner Badewanne. Er vermutete einen Materialfehler.“ In der Tat habe sich gezeigt, dass die Schraube, die das kleine Sieb festhält, korrodiert war. „Allerdings stellte sich heraus, dass die Schraube wegen Substanzen durchgerostet war, die z.B. in Urin vorhanden sind. Man könnte fast sagen, dass der Schaden entstand, weil zu oft in die Badewanne uriniert worden war ...“ In einem anderen Fall fiel eine Dame von der Leiter und versuchte daraufhin den Hersteller wegen eines Materialfehlers zu verklagen. Erfolglos, denn es war ihr eigener Fehler, wie der Materialdetektiv feststellen konnte.

Wenn Mumme nicht gerade im Job solche Fälle löst, macht er sehr viel Sport. Dies sieht man seinem durchtrainierten Körper auch an. Zweimal die Woche ins Fitnessstudio muss sein - und vor kurzem hat mit Yoga begonnen.

Und beruflich? Hat Julian Mumme noch andere Ziele? „Eigentlich nur, ein noch besserer Schadensanalytiker zu werden“, sagt er. „Ich bin glücklich mit dem, was ich tue.“ Zumal sein Berufsstand krisenfest ist, der Job ist relativ sicher. Denn eines ist klar, so Mumme: „Schäden passieren immer.“

Text: Timo Zemlin

 

Timo Zemlin studiert Technikjournalismus an der H-BRS. Er schrieb dieses Porträt im Rahmen eines Alumni-Projekts im Studiengang Technikjournalismus im Wintersemester 2015/2016.