Direkt zum Inhalt

Vizepräsident Internationalisierung und Diversität (VP3)

Inklusives Interview: Autismus

Inklusion – der Begriff erlangt im gesellschaftlichen Rahmen zunehmend an Relevanz. Doch für viele Menschen bleibt Inklusion zunächst ein recht abstraktes Konzept. Wie sehen der Alltag, das Studium oder die Arbeit mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung aus? Und was genau kann ich tun, um andere durch inklusives Handeln zu unterstützen?

Das Diversitätsmanagement an der H-BRS möchte Behinderungen oder chronischen Erkrankungen greifbarer machen. Diese Interviewreihe ist Teil unseres neuen Formats Respekt! Inklusiv. In der Reihe geben Studierende oder Beschäftigte der Hochschule Einblicke in die unterschiedlichen Arbeits- und Studienrealitäten auf dem Campus.

foto_interview_autismus.jpg (DE)

Autismus und ich – Interview mit Benjamin Jan Kronberg:

Autismus – über kaum eine Diagnose ist mehr Halbwissen im Umlauf. Gerade Autismus wird häufig als so genanntes „Nerd-„ oder „Geek-Syndrom“ definiert, spätestens seit der Darstellung von Charakteren wie Sheldon Cooper aus der US-TV-Serie „Big Bang Theory“. Häufig wird vermutet, dass alle Autist:innen besonders im naturwissenschaftlich/technischem Bereich begabt sind und Schwierigkeiten bei sozialer Kommunikation und Interaktion haben. Auch wenn manche Eigenschaften bei Autist:innen zu finden sind, gibt es keine klassische Autistin oder einen klassischen Autisten oder bestimmte Eigenschaften, die jede autistische Person erfüllt.

Wir haben mit Benjamin Jan Kronberg gesprochen, der seine Autismus-Diagnose erst im Laufe des Studiums erhalten hat:

Was studieren Sie an der H-BRS?

Ich studiere Maschinenbau-Produktentwicklung im Fachbereich 03 (Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus.

Welche Behinderung oder chronischer Erkrankung haben Sie?

Ich habe Asperger-Autismus.

Was sollten andere Personen über Autismus wissen?

Autismus ist keine Störung, sondern eine Lebensform. Ganz viele Autist:innen haben Stärken im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Manche Autist:innen können sehr gut Sprachen lernen. „Autisten dürfen so sein, wie sie sind.“ (Nicole Schuster, Quarks & Co | Was ist anders bei Nicole? Begegnung mit einer Autistin | Sendung vom 04.11.08 )  Nichtsdestotrotz sollte die Umwelt auf die speziellen Bedürfnisse von Autist:innen eingehen. Schon die Erziehung im Kindergarten sollte anders sein.

Was bedeutet Autismus für Ihren Alltag?

Viele Autist:innen gestalten ihren Alltag so, dass jeder Tag gleich abläuft. Bei mir ist das nicht so.

Eigentlich ist jeder Tag anders. Asperger ist eine bestimmte Ausprägung von Autismus. Deshalb fällt es manchmal überhaupt nicht auf. Ich weiß aber zum Beispiel, dass ich Blicke und Mimik von anderen Personen nicht gut unterscheiden kann.

Welche Auswirkungen hat Autismus auf Ihr Studium?

Bei Klausuren falle ich immer wieder durch, weil ich mehr Bearbeitungszeit brauche. Ich bin nicht gut organisiert. Für eine Modulprüfung lernt man über Monate. Dies braucht viel vorausschauende Planung und man muss sich intensiv damit auseinandersetzen, was überhaupt dran kommen kann in der Klausur.

Fällt man erst einmal durch, war das ganze Lernen umsonst, und man kann wieder von vorne anfangen. Auf dem Gymnasium war es etwas besser: Eine schlechte Klausur mindert die Gesamtnote nur unwesentlich.

An Disziplin mangelt es mir dagegen nicht.

Gibt es auch positive Eigenschaften, die Sie mit Autismus verbinden? Wenn ja - welche?

Ich würde sagen, ich habe gute analytische Fähigkeiten. Mit Mathematik hatte ich nie große Probleme. Außerdem konnte ich Sprachen immer gut lernen. Mir fiel es nie schwer, mich hinzusetzen und Vokabeln zu lernen.

Was ist ein Vorurteil über Autismus, über das Sie aufklären möchten?

Viele Leute meinen, Autist:innen seien kühl oder kalt. Das stimmt aber nur bedingt.

Wenn ich z.B. meinen Hobbies nachgehe, fühle ich mich sehr lebendig. Auch können Autist:innen sehr traurig sein oder schlechte Laune haben, wenn sie auf bestimmte Ereignisse reagieren.

Was wünschen Sie sich von anderen Personen im Umgang mit Autismus?

An der Hochschule sollte sich eine Modulprüfung aus mehreren Teilprüfungen zusammensetzen.

Bei einer einzigen Prüfung kann man nicht sehen, ob jemand die Themen kann oder nicht.

Bei mehreren Teilprüfungen wird man auch nicht so weit zurückgeworfen und man hat die Möglichkeit, Defizite zu korrigieren. Auch sollte es bei einer nicht bestandenen Prüfung die Möglichkeit geben, fehlende Punkte im Nachhinein noch zu erreichen, etwa durch eine Nachprüfung.

Denn bei dem System, so wie es jetzt ist, kann man gegen eine nicht bestandene Klausur fast überhaupt nichts machen. Ich würde mir wünschen, dass alle Professor:innen die Lösungen zu ihren Übungen zu Verfügung stellen. Zudem sollte der Schwerpunkt in der Klausur nicht so sehr auf die letzte Übung/Vorlesung gelegt werden.

Wissen Sie schon, welchen Weg Sie nach dem Studium einschlagen möchten?

Gerne möchte ich in die Luftfahrt, die Automobilindustrie oder die Schienenverkehrstechnik gehen.

Weitere Aktivitäten im Bereich Inklusion finden Sie unter Respekt! Inklusiv. Bei Fragen und Anregungen können Sie sich jederzeit an das Respekt!-Team wenden.