Stabsstelle Kommunikation und Marketing
H-BRS aktuell: "Die Digitalisierung des öffentlichen Raums ist ein zentrales Zukunftsthema"
H-BRS: Herr Professor Rademacher, in Hürth hat die Stadt Mülleimer aufgestellt, die eine Leerungsaufforderung senden, wenn sie zu mehr als der Hälfte gefüllt sind. In Bonn wurden Bäume mit Sensoren ausgestattet, die den Feuchtigkeitsgehalt im Boden messen und die Daten an das Amt für Umwelt und Stadtgrün senden. Andere Städte haben Straßenlaternen, die nachts nur dann mit voller Stärke aufleuchten, wenn sie Radfahrer oder Fußgänger erkennen. Sind das technische Spielereien, oder steckt mehr dahinter?
Michael Rademacher: Keineswegs. Die Digitalisierung des öffentlichen Raums, also das Konzept der einer sogenannten „Smart City“, ist ein zentrales Zukunftsthema. Im privaten und beruflichen Umfeld sind wir bereits deutlich weiter. Wenn wir etwa mit einer VR-Brille oder mit einem Sprachmodell wie ChatGPT interagieren, fällt der Rückstand im öffentlichen Raum besonders auf. Vernetzte technische Systeme können, richtig durchdacht, echten Mehrwert bieten und sowohl Lebensqualität als auch wirtschaftliches Wachstum steigern.
H-BRS: Wie weit sind wir auf dem Weg zur Smart City?
Rademacher: In Deutschland stehen wir noch am Anfang. Die zunehmende Elektrifizierung, zum Beispiel durch E-Mobilität oder dezentrale Energieerzeugung, zwingt uns jedoch, schneller zu werden. In der Verwaltung sehen wir dank des Onlinezugangsgesetzes, das den gesetzlichen Rahmen für den Weg zum digitalen Bürgerservice beschreibt, erste Fortschritte. In vielen anderen Bereichen hinken wir hinterher. Jetzt müssen die richtigen Grundlagen gelegt werden.
„Vernetzte technische Systeme können, richtig durchdacht, echten Mehrwert bieten und sowohl Lebensqualität als auch wirtschaftliches Wachstum steigern.”
Michael Rademacher - Professor für Embedded Systems und Netze am Fachbereich Informatik
H-BRS: Wenn überall in der Stadt Sensoren und Kameras angebracht sind, kommen wir dann nicht dem Überwachungsstaat sehr viel näher?
Rademacher: Diese Sorge ist verständlich und berechtigt. Ich selbst halte Kameras für den falschen Weg, es gibt andere Arten von Sensoren, welche gezielter dem Anwendungsfall entsprechen. Generell haben wir es jedoch selbst in der Hand. Es gibt vielversprechende Ansätze zur Anonymisierung und Pseudonymisierung von Daten. Die Umsetzung ist komplex, aber sie ist eine zwingende Voraussetzung für erfolgreiche Digitalisierung.
H-BRS: Worauf müssen die Städte achten, damit einerseits die Potenziale genutzt werden, und andererseits Sicherheit und Privatheit gewahrt bleiben?
Rademacher: Städte müssen ihre Datenschutzkompetenz ausbauen. Datenschutz wird oft negativ gesehen, das muss sich ändern. Gleichzeitig sollten Kommunen technologieoffen bleiben und von Anfang an hohe IT-Sicherheitsanforderungen definieren. Vielleicht lässt sich dadurch nicht jeder Anwendungswunsch sofort umsetzen, doch der entstehende Druck führt zu besseren Lösungen am Markt.
H-BRS: In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit sicheren Kommunikationsnetzen. Was kann die Forschung, was kann die Hochschule zu einem Fortschritt bei der Digitalisierung beitragen?
Rademacher: Alle Systeme, die Daten erfassen oder verarbeiten, sind vernetzt, meist drahtlos. Sichere Netze und geschützter Datentransfer sind daher die Basis jeder Digitalisierung. Unsere Forschungsgruppe konzentriert sich auf zwei Kernfragen: erstens die sichere Übertragung von Daten und zweitens die Verfügbarkeit drahtloser Netze. Daten müssen auf dem Weg vor Manipulation und Mitlesen geschützt sein, und ein Sensor nützt nur, wenn das Netz stabile Abdeckung bietet. Unser Ziel ist es immer, die Forschungsarbeiten in demonstrierbare Prototypen zu überführen, um einen direkten Mehrwert aufzuzeigen. Das funktioniert derzeit sehr gut.
Zur Person: Professor Michael Rademacher
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Michael Rademacher
Professur Informatik, insbesondere Embedded Systems und Netze, Forschungsgruppenleiter Fraunhofer FKIE
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