Biometrie-Evaluations-Zentrum (BEZ)

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BEZ (ISF)

BEZ - Experimente und Analysen

Herausstellungsmerkmal des BEZ ist sein einzigartiger Langzeittestbetrieb: Biometrische Systeme werden vor Ort von echten Testpersonen über mehrere Jahre hinweg unter konstanten, kontrollierten Umgebungsbedingungen und unter strikter Einhaltung der DSGVO getestet.

Einführung der Langzeittestreihen

Seit Mai 2022 führt das BEZ regelmäßige Langzeittestreihen zur Untersuchung biometrischer Systeme durch. Dreimal wöchentlich werden dabei sowohl komplette Systeme als auch einzelne Komponenten, etwa Sensoren, unter realitätsnahen Bedingungen getestet. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit (Performanz) und Benutzerfreundlichkeit (Usability) dieser Systeme zu evaluieren und auf dieser Basis Optimierungsmöglichkeiten abzuleiten.

Die Tests werden von registrierten Testpersonen durchgeführt – vor allem Studierenden und Mitarbeitenden der Hochschule. Für aussagekräftige Ergebnisse ist ein möglichst vielfältig zusammengesetzter Testpersonenpool entscheidend, weshalb laufend neue Teilnehmende gesucht werden. Eine Registrierung als Testperson am BEZ ist jederzeit möglich. Weitere Informationen zum Ablauf und zur Registrierung finden Sie unter Langzeittestreihen.

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Laufende Experimente am BEZ

  • K13-Aufnahmestand: Der K13-Stand erfasst gleichzeitig hochauflösende Gesichtsbilder aus 13 verschiedenen Winkeln. Diese standardisierte Umgebung ermöglicht präzise Analysen zum Einfluss von Blickrichtung, Beleuchtung und Mimik auf die Erkennungsleistung.
  • Fingerscanner: Verschiedene Fingerscanner-Typen (optisch/TFT, optisch/FTIR, OCT/3D) erfassen Fingerabdrücke in hoher Qualität – sowohl flach gedrückt als auch in gerollter Form.
  • Spektrometer: Das Spektrometer misst das Remissionsspektrum der Haut im sichtbaren und nahinfraroten Bereich. Dadurch lassen sich echte Haut und künstliche Materialien wie Masken zuverlässig unterscheiden – unabhängig vom Hauttyp. Die gewonnenen Informationen dienen als Referenz für die Entwicklung biometrischer Fälschungserkennungssysteme.
  • Nahinfrarot-Punktsensor ("LokiMk2"): Der „LokiMk2“ ist ein hochspezialisierter Sensor zur Fälschungserkennung. Er nutzt Nahinfrarotlicht, um Hautreflexionsmuster zu erkennen und unterscheidet so zuverlässig zwischen echter Haut und Fälschungen wie Masken oder Drucke.
  • Remote Photoplethysmographie (rPPG) mit Time-of-Flight-Kamera (ToF): Bei diesem Experiment wird eine ToF-Kamera mit rPPG kombiniert, um den Puls kontaktlos über minimale Farb- oder Tiefenänderungen im Gesicht zu messen. Ziel ist die Erkennung von Vitalitätsmerkmalen, z. B. zur Abwehr von Deepfakes oder Präsentationsangriffen.
  • Automated-Border-Control-Gates (ABC-Gates): Die ABC-Gates simulieren automatisierte Grenzkontrollsysteme wie sie an Flughäfen eingesetzt werden. Hier wird überprüft, wie zuverlässig die Gesichtsverifikation unter realitätsnahen Bedingungen funktioniert – z. B. bei wechselnder Beleuchtung, Kopfbedeckungen oder Tagesform.

Nachfolgend finden Sie eine Übersicht über laufende Analysen am BEZ (Stand: 15.07.2025).

Alters- und Geschlechterverteilung

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Langzeit-Analysen der Gesichtserkennung

In der Langzeitanalyse wurde untersucht, wie stabil die Erkennungsleistung von Gesichtserkennungsalgorithmen über einen Zeitraum von etwa 2,5 Jahren bleibt. Ziel war es, Veränderungen im Gesicht (z. B. durch Alterung, Frisur, Bartwuchs) zu erfassen und deren Einfluss auf den Comparison Score (biometrischer Vergleichswert) zu bewerten.
Für die Analyse wurden die frontal aufgenommenen Bilder der Teilnehmenden (Kamera 5 am K13-Stand) regelmäßig mit dem ursprünglich aufgenommenen Referenzbild verglichen. Es kamen sowohl kommerzielle (commercial off-the-shelf, COTS) als auch Open-Source-Algorithmen zum Einsatz.

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Delta-Score im Zeitverlauf

Diese Grafik zeigt die Veränderung des Delta-Scores im Verhältnis zur ersten Aufnahme (y-Achse: Delta-Score, x-Achse: Tage seit ursprünglichem Referenzbild) für einen COTS-Algorithmus. Der Delta-Score beschreibt die Differenz zwischen dem Vergleichswert eines Bildes und dem ursprünglichen Referenzbild derselben Person. Jeder Punkt steht für einen Bildvergleich derselben Person. Die rote Trendlinie zeigt einen leichten  Abfall der Erkennungsleistung im Laufe der Zeit. Dieser Abfall wurde über alle Algorithmen hinweg beobachtet. Das Ausmaß dieses Abfalls variierte zwar deutlich zwischen den Algorithmen, bleibt aber so gering, dass die 10-jährige Gültigkeit von Ausweisdokumenten empirisch gestützt wird.

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Score-Verteilung pro  Algorithmus und Jahr

Die Boxplots verdeutlichen die Verteilung der Comparison Scores für alle fünf untersuchten Algorithmen über drei Jahre. Dabei wird sichtbar, dass kommerzielle Algorithmen höhere Scores erreichen, während Open-Source-Verfahren stärkere Leistungseinbußen über die Zeit zeigen. Ein direkter Vergleich der Erkennungsgenauigkeit der Algorithmen ist allerdings nur bedingt möglich, da der Schwellwert für jeden Algorithmus manuell festgelegt werden kann.

Winkel-Analysen

Mithilfe des K13-Standes wurde untersucht, wie sich der Aufnahmewinkel eines Bildes auf die Erkennungsgenauigkeit von Gesichtserkennungsalgorithmen auswirkt. Dafür wird das frontal aufgenommene Bild einer Person (Kamera 5) mit Bildern derselben Aufnahme aus horizontalen (x-Achse) und vertikalen (y-Achse) Blickwinkeln verglichen. So lässt sich der isolierte Einfluss des jeweiligen Winkels auf die Vergleichsergebnisse analysieren.

Die folgenden beiden Abbildungen veranschaulichen exemplarisch die Ergebnisse eines untersuchten Algorithmus.

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Einfluss des horizontalen Blickwinkels auf den biometrischen Score (x-Achse)

Die Abbildung zeigt die Verteilung der biometrischen Scores für K13-Aufnahmen aus vier verschiedenen horizontalen Aufnahmewinkeln im Vergleich zum frontal aufgenommenen Foto. Mit zunehmendem x-Winkel nehmen die Scores leicht ab.

 

Einfluss des vertikalen Blickwinkels auf den biometrischen Score (y-Achse)

Die Abbildung zeigt die Verteilung der biometrischen Scores für K13-Aufnahmen aus vier verschiedenen vertikalen Aufnahmewinkeln im Vergleich zum frontal aufgenommenen Foto. Mit zunehmendem y-Winkel sinken die Vergleichswerte deutlich und fallen teilweise unter den Schwellenwert T = 0,755.

Kurzzeitexperimente

Neben den langfristig angelegten Studien führt das BEZ auch gezielte Kurzzeitexperimente durch, bei denen spezielle biometrische Systeme unter kontrollierten Bedingungen getestet werden. Solche Experimente können auf Anfrage auch im Rahmen von Kooperationen mit Industriepartnern oder Behörden durchgeführt werden.

  • 3D-FingerKontaktlose Erfassung von Fingerabdrücken mittels optischer Kohärenztomographie (OCT). Dieses opto-elektronische Verfahren liefert einen 3D-Scan der Fingerkuppe, der neben dem äußeren Fingerabdruck auch einen inneren Abdruck an der Grenze zwischen Dermis und Epidermis sowie Schweißdrüsen sichtbar macht und so eine deutlich erhöhte Fälschungssicherheit bietet.
  • HandrückenIn dieser Sonderuntersuchung unterstützte das BEZ das Bundeskriminalamt dabei, die Eignung des Handrückens als biometrische Modalität zu untersuchen. Ziel war der Aufbau einer hochwertigen Ground-Truth-Datenbank von etwa 200 Händen. Hierzu wurden mithilfe eines speziellen Aufnahmestandes im BEZ Hände in unterschiedlichen Gesten aus verschiedenen Winkeln und in verschiedenen Lichtverhältnissen aufgenommen.

     

Weitere Forschungsgebiete

Neben der Untersuchung der Performanz und der Usability widmet sich das BEZ außerhalb der Langzeittestreihen weiteren Forschungsgebieten:

  • Überwindungssicherheit biometrischer Systeme (Presentation Attack Detection, PAD)
  • Vergleich von Algorithmen (kommerziell vs. Open Source)
  • Einfluss von Umgebungsfaktoren und Aufnahmewinkel
  • Vergleich realer vs. synthetischer Daten (Gesicht, Finger)

Die Experimente am Spektrometer, mit dem LokiMk2-Sensor und der Time-of-Flight-Kamera leisten einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung von PAD-Verfahren. Sie bilden die Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Erkennung von Täuschungsversuchen, etwa durch Masken, Drucke oder digitale Deepfakes.