30 Jahre Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
Ausstellung Visionäre Forscherinnen: Hedwig Dohm
Biografie Hedwig Dohm (1831-1919)
Hedwig Dohm wird am 20. September 1831 in Berlin als viertes Kind des Tabakfabrikanten Gustav Adolph Gotthold Schlesinger und dessen Frau Wilhelmine Henriette Jülich geboren. Das Paar bekommt zusammen achtzehn Kinder, davon werden zehn nicht ehelich geboren. Die Eltern heiraten erst 1838, nach dem Tod des Großvaters väterlicherseits, der seinem Sohn die Enterbung angedroht hatte, falls er die nicht ehelich geborene Jülich heiraten sollte.
Den Töchtern der Großfamilie Jülich-Schlesinger wird nur eine eingeschränkte Schulausbildung zugestanden, während die Söhne das Gymnasium besuchen. Mit 15 Jahren verlässt Hedwig Dohm die Schule und muss stattdessen im Haushalt der Familie unterstützen. Drei Jahre später erkämpft sie sich den Besuch eines Lehrerinnenseminars, das sie aber als wenig inspirierend empfindet, nur dazu geeignet, „einen lebendigen Geist in eine mechanische Lernmaschine zu verwandeln.“
1853 heiratet sie Ernst Dohm, den Chefredakteur der satirischen Zeitschrift Kladderadatsch. Zwischen 1854 und 1860 bringt Hedwig fünf Kinder zur Welt, der einzige Sohn stirbt mit elf Jahren. Die vier Töchter (darunter Hedwig Pringsheim, Mutter von Katia Mann und Schwiegermutter von Schriftsteller Thomas Mann) erhalten alle eine fundierte Schul- und Berufsausbildung.
Durch ihren Mann kommt Hedwig Dohm in Kontakt mit der geistigen Elite der Berliner Gesellschaft. Die Liste der Persönlichkeiten, die bei den Dohms verkehren, ist lang und beeindruckend, das Haus des Ehepaares wird ein beliebter und bekannter Salon: Ferdinand Lassalle und die Gräfin Hatzfeld sind genauso zu Besuch wie Alexander von Humboldt, Franz Liszt, Theodor Fontane, Fanny Lewald, Lily Braun und das Verleger-Ehepaar Lina und Franz Duncker.
In der ersten Hälfte der 1870er-Jahre erscheinen die ersten vier feministischen Bücher von Hedwig Dohm, in denen sie für die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Frauen und Männern eintritt. Als eine der ersten Frauen in Deutschland fordert sie darin das Wahlrecht für Frauen. Im dritten Band der Schriftenreihe „Die wissenschaftliche Emancipation der Frau“, der 1874 erscheint, fordert Hedwig Dohm die vollständige Öffnung der Hochschulen für Frauen, zu dieser Zeit eine „radikale“ Forderung. Diese vier Essays machen sie mit einem Schlag berühmt, stoßen aber auch auf heftige Kritik. In ihren Schriften attackiert sie mit Humor und Scharfsinn die Unterdrückung der Frauen auf allen Gebieten: Dohm will gleichberechtigte Bildung und Ausbildung für Mädchen sowie die freie Wahl eines Berufs, der Frauen die ökonomische Selbstständigkeit sichert. Sie fordert das Recht auf Abtreibung, kritisiert Eherecht und die Mystifizierung der Mutterschaft, Doppelmoral und Prostitution, unzureichende sexuelle Aufklärung junger Mädchen sowie den Jugendwahn. Ende der 1870er-Jahre veröffentlicht Dohm mehrere Lustspiele, die sämtlich im Berliner Schauspielhaus aufgeführt werden.
1883 stirbt ihr Mann Ernst Dohm nach längerer Krankheit. Nach seinem Tod beginnt Hedwig Dohm, Novellen und Romane zu schreiben. Als der progressive Flügel der Frauenbewegung Ende der 1880er-Jahre erstarkt, widmet sie sich wieder vermehrt politischen Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften. Sie wird Mitbegründerin mehrerer transformativer Vereine, u. a. des Frauenvereins „Reform“, der sich für eine umfassende Bildungsreform und das Frauenstudium einsetzt. Sie tritt Minna Cauers emanzipatorischem Verein „Frauenwohl“ bei und als 74-Jährige wird sie Mitglied der Gründungsversammlung von Helene Stöckers „Bund für Mutterschutz und Sexualreform“. Bis zu ihrem Tod 1919 veröffentlicht sie mehrere Essaybände und fast hundert Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, in denen sie sich an den aktuellen Debatten in Literatur und Politik beteiligt und positioniert.
Im Ersten Weltkrieg gehört Dohm zu den wenigen Intellektuellen, die sich von Anfang an gegen den Krieg stark machen und einen kompromisslosen Pazifismus vertreten. Die Einführung des Frauenwahlrechts 1918 in Deutschland erlebt sie zu ihrer großen Freude noch.
Hedwig Dohm stirbt mit 87 Jahren am 1. Juni 1919. Sie ist auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg begraben. Im August 2018 beschließt der Berliner Senat, Hedwig Dohm als Persönlichkeit mit besonderer Bedeutung für Berlin mit einem Ehrengrab zu ehren.
Anlaufstellen
Zentrum für Wissenschafts- und Technologietransfer (ZWT)
Campus
Sankt Augustin
Raum
F 405