Stefan Freitag: Die Welt bewusst er-fahren

Wirtschaftsmathematik, Rechnungswesen, Jahresabschluss: In Stefan Freitags Lehrveranstaltungen dreht sich inhaltlich alles um Zahlen. Doch wann immer er mit Studierenden in Kontakt tritt, geht es ihm eigentlich um mehr: „Ich möchte Menschen ausbilden, die später nicht nur „Ihren Job“ machen, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Meine Studierenden sollen verstehen, welche Auswirkungen ihr Handeln hat“, sagt Freitag.

Einblick in unternehmerisches Denken und Handeln

Um das auch abseits des Seminarraums erlebbar zu machen, hat er im Jahr 2019 gemeinsam mit seinem Kollegen und heutigen Dekan Professor Norbert Seeger und Holger Willing vom ZEV die Tour de CSR ins Leben gerufen. CSR steht für Corporate Social Responsibility und beschreibt das bewusste unternehmerische Handeln, das sich um ökologische, soziale und nachhaltige Aspekte bemüht. Bei der einwöchigen Fahrradtour reisen Studierende zu Unternehmen, politischen Institutionen oder besonderen Orten, um mit ihnen über gesellschaftliche Verantwortung, Nachhaltigkeit aber auch Europa zu sprechen. Das Angebot richtet sich nicht nur an Wirtschaftsstudierende, sondern durch die Verknüpfung mit dem Studium Verantwortung an alle H-BRS-Studierende.

Aus der einstigen ‚Schnapsidee‘ ist mittlerweile eine feste Größe im Hochschulkalender geworden. 15 Studierende nahmen im August an der jüngsten Ausgabe der Tour de CSR teil, die über Köln, Aachen und Hasselt bis nach Brüssel führte. 400 Kilometer in fünf Tagen - das ist natürlich einerseits eine sportliche Herausforderung, die als Gruppe gemeistert werden muss: „Das Tolle beim Fahrradfahren ist: Man ist zwar irgendwann schon ziemlich kaputt, merkt aber, dass man trotzdem noch eine Weile weiterfahren kann. Und wie auch eine Gruppe sich untereinander mitziehen kann. Diese Erfahrung machen einige Teilnehmende zum ersten Mal und sind dann nochmal motivierter, anzukommen. Das ist interessant zu beobachten“, sagt Freitag.

Andererseits biete das Radfahren aber auch Raum, sich auszutauschen und die Reisestrecke bewusst zu erleben – etwas, das dem passionierten Radfahrer Freitag besonders am Herzen liegt: „Für mich ist Fahrradfahren Freiheit. Mit dem Auto oder dem Zug rase ich durch die Landschaft, aber auf dem Rad erlebe ich, wo ich unterwegs bin und kann trotzdem an einem Tag relativ problemlos große Distanzen zurücklegen“, sagt er.

Die Landschaft er-fahren

Selbstbestimmt in der Natur unterwegs sein, die Landschaft bewusst erleben und mit unterschiedlichen Menschen ins Gespräch kommen: Das alles erfüllt heute das Radfahren für Freitag, der wann immer es geht auf zwei Rädern unterwegs ist. 

Nach der Wende war er zunächst aus Sachsen-Anhalt mit seinen Eltern nach Ostwestfalen gezogen, bevor es ihn für sein Wirtschaftspädagogik-Studium nach Kassel verschlug. Nach dem Diplom und erster Berufserfahrung als Mitarbeiter im Produktmanagement eines Solarenergieunternehmens beschloss er kurzerhand, alles hinter sich zu lassen: „In meiner Abteilung haben außer mir nur Ingenieure gearbeitet. Die Arbeit hat zwar Spaß gemacht und war spannend, aber ich habe gemerkt, dass ich etwas anderes machen will“, sagt Freitag. Gemeinsam mit seiner heutigen Frau und Kollegin Christine Freitag bereiste er zu Fuß und mit dem Bus Europa: unter anderem ging es nach Schottland, Irland und Frankreich. Neben dem bewussten Erleben der Länder ging es Stefan Freitag dabei auch darum, mit unterschiedlichsten Menschen in Kontakt zu kommen. Sei es mit anderen Reisenden oder der lokalen Bevölkerung: „In Hostels oder auch in Pubs habe ich damals viele Gespräche geführt. Ich finde es einfach spannend mitzubekommen, wie die Leute so denken, was sie erzählen und was ihnen wichtig ist“, sagt Freitag. 

2008 endete die viermonatige Reise des Paars schließlich in Bonn, der Studienstadt von Christine Freitag. Während seiner Selbstständigkeit im Bereich der Erwachsenenbildung kam Stefan Freitag über den Kontakt zu seiner heutigen Büronachbarin Eva Jacobsen zunächst als Mathematikdozent an die H-BRS und landete schließlich über das Projekt Pro-MINT-us fest an der Hochschule.