Nachhaltige Sozialpolitik (B.A.)

Lobbyland – Bedrohungen und Lösungen für unsere Demokratie. Ringvorlesung "Zwischenrufe zur Sozialpolitik" mit Marco Bülow

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Mittwoch, 28. Juni 2023

Was sollte eine Demokratie leisten und welche Rolle spielt Lobbyismus in unserer Demokratie? Diese Frage stellten sich am Donnerstag, den 22. Juni 2023 Lehrende und Studierende der Nachhaltigen Sozialpolitik sowie einige externe Gäste im Rahmen der Ringvorlesung „Zwischenrufe zur Sozialpolitik“. Gastredner dieser Ringvorlesung war Marco Bülow, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Journalist.
Ringvorlesung Zwischenrufe zur Sozialpolitik Bülow Lobbyland

Zu Beginn seines Vortrags stellte Marco Bülow die Frage, was genau eine Demokratie sei und was eine Demokratie zu leisten habe. Er war der Auffassung, dass sich das Demokratieverständnis in Deutschland auf freie Wahlen beschränke. Obwohl die Bevölkerung in einer funktionierenden Demokratie die Entscheidungsmacht haben sollte, ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit die repräsentative Demokratie die Bürgerinnen und Bürger und ihre Interessen adäquat abbildet. So spricht Bülow von einer Fassadendemokratie, welche sich durch die Demontierung und Deformierung des demokratischen Systems auszeichne.

Besonders problematisch ist dabei der starke Einfluss von Profitlobbyismus, welcher zu einem Aushöhlen der Demokratie führt, so Bülow. Demnach ordnet sich diese dem Markt unter – ganz nach dem von Merkel geprägten Begriff der marktkonformen Demokratie. Dabei sollte es laut Bülow genau umgekehrt sein. Trotzdem findet dieses hochrelevante Thema noch zu selten seinen Weg in die politische und öffentliche Diskussion.

Zumindest in der politischen Arena lässt sich dies mitunter auf die Relativierung fundierter Argumente, Fakten und wissenschaftlicher Grundlagen zurückführen. Zur Eindämmung des Profitlobbyismus bedarf es fairer Spielregeln, die zu einem Machtgleichgewicht zwischen Lobbyismus von Unternehmen und dem von wohltätigen Vereinen, Verbänden und Initiativen führt. Doch dessen Einfluss ist im Vergleich zu jenem der Profitlobbyisten gering, was auf ungleiche materielle und ideelle Ressourcen zurückzuführen ist. Dies belegte Bülow mit Praxisbeispielen aus seiner Zeit als Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

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Als weitere Problematik identifizierte Bülow den Umstand, dass viele Abgeordnete nach ihrer politischen Karriere als Lobbyisten tätig werden. Dabei helfen ihnen ihre bestehenden Kontakte in die Politik. Seinerzeit hatte sich Marco Bülow für mehr Transparenz diesbezüglich und für eine Entmachtung der Profitlobby eingesetzt, wodurch er sich nicht gerade beliebt machte.

Daneben wurden Themen der Gewaltenteilung und des Fraktionszwangs beleuchtet. So verlagere sich die gesetzgeberische Macht immer stärker vom Bundestag hin zur Regierung. Die Opposition habe dagegen im Hinblick auf die Ausformulierung und Implementation von Gesetzen kaum mehr eine Mitwirkungskraft. Die Abgeordneten der regierenden Fraktionen werden dagegen intern unter Druck gesetzt, Oppositionsanträge pauschal abzulehnen und Gesetzesvorschlägen der Regierung zuzustimmen. Dies stellt das demokratische System, die Repräsentation und die Gewaltenteilung auf die Probe.

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Bülow sieht darin mitunter einen Grund für die stetig sinkende Wahlbeteiligung. Diese sei speziell bei ärmeren oder armutsgefährdeten Personen gesunken, was mit der Stärke der Profitlobby zusammenhängt. Denn in den Augen vieler Menschen sei es ohnehin egal, welcher Partei man seine Stimme gibt, da alle gleichermaßen von der Profitlobby beeinflusst würden. So seien die Ausgaben des Haushaltes das beste Beispiel dafür, dass das Geld nicht für das Allgemeinwohl, sondern im Interesse von Lobbyisten ausgegeben werden würde.

Als Lösungsvorschläge wünscht sich Bülow klarere Regeln in der Politik und die Einführung eines Kodex für Abgeordnete. Dieser soll eingehalten und nach außen hin transparent dargelegt werden. Weiterhin würde die Einberufung eines Bürgerrates bei wichtigen Gesetzesänderungen zu einer besseren Repräsentation der Bevölkerung und einer stärkeren Mitwirkung an der Politik führen.

Auf den Vortrag folgte eine interessante und angeregte Diskussion, die im Anschluss bei einem lebhaften Get-together im Foyer fortgesetzt wurde.

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Patrick Baues (DE)

Patrick Baues

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Schwerpunkt: Politikwissenschaft, Geschäftsführer Forum Sozialversicherungswissenschaft e.V.

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